In ihrem berühmten Essay “Gegen Interpretation” bezieht sich Susan Sontag in einem Nebensatz auf Nietzsche, der geschrieben haben solle, es gäbe keine Fakten, es gäbe nur Interpretationen.
Sie erwähnt Nietzsche, um sich mit Kunst und deren Interpretation auseinanderzusetzen. Sehr zum Nachteil der Interpretierenden.
Nietzsche, so konnte ich recherchieren, hat sich wie folgt ausgedrückt:
„Gegen den Positivismus, welcher bei dem Phänomen stehen bleibt „es giebt nur Thatsachen“, würde ich sagen: nein, gerade Thatsachen gibt es nicht, nur Interpretationen. Wir können kein Factum „an sich“ feststellen: vielleicht ist es ein Unsinn, so etwas zu wollen.“ (Friedrich Nietzsche: Nachgelassene Fragmente Ende 1886-Frühjahr 1887. Kritische Studienausgabe Band 12. München 1980, S. 315.)
Zu Susan Sonntag habe ich folgendes notiert:
Susan Sontag „Gegen Interpretation“
Nietzsche
So Sonntag
Habe gesagt
Es gäbe keine Fakten
Es gäbe nur Interpretationen
Dann geht sie auf die Profession der Kritiker ein
Was Sontag auslässt
Ist der Umstand
Das die Kunst
Insbesondere die Fotografie
Selbst Interpretation [ist]
Wenn ich ein Foto anfertige
Dann interpretiere ich das
Was ich als Realität wahrnehme
Was die Realität ist
Steht auf einem anderen Blatt
Dem der Buddhisten
Der Konstruktivisten
[Der Philosophen]
. . .
Was Sontag sehr wohl erkennt
Ist der Umstand
Dass der Künstler
Der Fotograf
[Nachdem er eine Arbeit angefertigt hat]
Sodann in eine Rechtfertigung verfällt
Er strebt danach sein Werk zu begründen
Zu rechtfertigen
[Sich zu ereifern]
Wie gestaltet sich die phänomenologische Beschreibung einer Fotografie
Die als Akt der Interpretation
Des Interpretierens
Verstanden wird?
Bin ich dann im Universum der technischen Bilder?
Und wie verhält sich dazu das Punctum von Barthes?
Die Fotografie ist kein Faktum, sie schafft Fakten
OK, werdet ihr sagen, das ist ein alter Hut. Stimmt ja auch. Das nimmt mir ein wenig die Sorge bei der Diskussion um-zu KI und Text-zu-Bild-Maschinen. Diese schaffen Interpretationen von eben Text (bzw. gesprochene Texte).
Der Akt des Fotografierens selbst ist Interpretation. Als Fotograf bin in die Welt geworfen und muss mich dort zurecht finden. Meine Handlungen sind Interpretationen, erst recht die Fotografien, die ich erschaffe.
Jetzt kommt der Einwand, aber, im Moment des Auslösens, hält der Apparat die Wirklichkeit fest. Egal, was der Fotograf sich dabei denkt. Falsch. Denn der Apparat ist selbst eine Interpretations-Maschine. Früher ergänzt durch chemische Prozesse. Heute durch elektronische. Andere, als der Fotograf, haben die Maschinen programmiert, die das, was durch die Optik ins Innere gelangt, interpretieren.
Und so weiter und so fort.
Jedes Bild, das ins Universum der technischen Bilder aufsteigt, schafft Fakten. Denn das, was es abbildet und zur Interpretation frei gibt, wird zum Faktum. Zum Beitrag für die Diskursmaschinen.
Und wo ist das Punctum?
Mal ist es der Monobloc Stuhl im Hintergrund, über den ich las, dass er ein Klassiker sei, der überall auf der Welt, ob Original oder Nachbildung, aufzufinden ist. Dann der vermeintliche Schreibfehler, der mich höhnisch auflachen lässt. Dann die Spiegelungen in der Seitenscheibe meines Autos, als ich durch die Waschstrasse fahre.
Stop. Halt.
Hat das punctum heutzutage überhaupt eine Chance? Existiert dies punctum heute noch? Oder anders gefragt: Ist das punctum an eine begreifbare Fotografie gebunden?
Unwidersprochen bleibt, dass das studium wie der spectator in der FOTOGRAFIE nach wie vor vorhanden ist.
April, April. Und dann Mai.
Nun wohne ich seit über einem Jahr in Limburg. Erste Wiederholungen schleichen sich in meine Fotografien. Das Ankommenjahr ist vorbei.
Im Garten erfreuen wir uns an den Blumen, die wir im Herbst gepflanzt haben. Alles grünt und gedeiht. Ebenso das Konzept für mein LF Diary Buch. Das werde ich im Frühsommer in Angriff nehmen .
Ende April biete ich wieder für die Nachbarschaft Qigong im Park an. Im Mai findet der nächste Photowalk statt. Die Photowalks sind in die GROB Masterclass 2023 eingebettet.
Neuzugänge in der Bibliothek
Susan Sonntag, Kunst und Antikunst, Fischer 2022
Roland Barthes, Die helle Kammer, Suhrkamp, 2017 (Oft, wenn ich in meiner Bibliothek ein Buch suche, finde ich es nicht. Dann denke ich, OK, du hast es nicht gekauft, also nicht besessen. Zack, kaufen. Und wenn es dann da ist, finde ich in meiner Bibliothek das Buch, dass ich gesucht habe. So erging es mir mit Roland Barthes Buch. Trotz dessen, dass ich die Anwesenheit des Buches vergas, konnte ich mich an die meisten Details aus dem Inhalt des Buches erinnern, was mir beim erneuten lesen sofort auffiel. Auch, wie sehr Barthes meine Fototheorie geprägt hat, inklusive meiner Art zu fotografieren.)
Susanne K. Langer, Philosophie auf neuem Wege, Fischer Wissenschaft, 1984 (Nur noch antiquarisch erhältlich)
Andrew Culp, Dark Deleuze, LAIKAtheorie, Laika Verlag, 2017 (Schnell zugreifen! der Laika Verlag hat Ausverkauf und wenn das letzte Buch verkauft ist, stellt er den Be- und Vertrieb ein.)
Stephen Gill, Night Procession, Nobody, 2017 (Um dieses Buch bin ich seit Monaten wie die Katze um den heißen Brei getiegert. Nun habe ich es hier in der signierten Version erworben: https://photobookstore.co.uk/products/night-procession-signed).
Ursula Röck, Martin Berger, Utopia Realis - Plan B, Verlag Kettler, 2016 (Ich hatte das unverschämte Glück, das Buch bei medimops für ganze €4,— zu erwerben)
Sascha Büttner, Commuting – Pendeln, BoD, 2023, (https://www.bod.de/buchshop/commuting-pendeln-sascha-buettner-9783741289705)
Sascha Büttner, Große Ebene, BoD, 2023 (https://www.bod.de/buchshop/grosse-ebene-sascha-buettner-9783751922692)