Photowalk
Wie angekündigt fand am 5. Februar der erste Limburger Photowalk statt. Vier Enthusiasten fanden sich bei ungemütlichem Wetter zusammen, um gemeinsam durch Limburg zu schweifen. Wegen des Regens kürzte ich die Route stark ein. Damit uns allen warm werden konnte, hatte ich den vier Mit-Umherschweifenden das Motto “Finde Dein Glück” ans Herz gelegt. Im Nachgang werden wir uns in einem Videocall die Ergebnisse des Tages gegenseitig präsentieren.
Die Bibliothek von Babel
“Jemand setzt sich zur Aufgabe, die Welt abzuzeichnen. Im Laufe der Jahre bevölkert er einen Raum mit Bildern und Provinzen, Königreichen, Gebirgen, Buchten, Schiffen, Inseln, Fischen, Behausungen, Werkzeugen, Gestirnen, Pferden und Personen. Kurz bevor er stirbt, entdeckt er, daß dieses geduldige Labyrinth aus Linien das Bild seines eigenen Gesichts wiedergibt.” Jorge Luis Borges, Die Bibliothek von Babel
Jemand, ich, setzt mir, also ich mir selbst, zur Aufgabe, Limburg abzufotografieren. Im Laufe eines Jahres bevölkere ich eine Webseite mit Fotografien von Häusern, Menschen und Straßen. Lange vor meinem Tod, also im Moment, erkenne ich, dass dieses geduldige Bilderrätsel die induzierten Bilder meines Selbst sind.
Was frustrierend wirkt ist zugleich erhellend und aufbauend. Jetzt, jetzt kann ich mich wirklich der automatischen Fotografie hingeben (ähnlich dem automatischen Schreiben) und so meine Forschungen nach innen richten. Wenn ich mein Inneres verstehe, dann verstehe ich das Außen. Und dann kommen Bilder zum Vorscheinen, die es zuvor nicht gab.
Der bewußte Mensch
Das erinnert mich an Mythos des Sisyphos von Camus. Sisyphos, den wir uns als glücklichen Menschen Vorstellen müssen, reflektiert dann, wenn der Stein zu Tale rollt und er wieder und wieder hinab steigt, um sein aufgebürdetes Tagewerk zu vollbringen, über sein Tun. Ihm ist die Absurdität seiner Existenz, seines Tun vollumfänglich bewußt.
Fotografie fängt dort an, wo ich mir der Umstände meines Handelns bewußt werde. Ich kann sehr viel Zeit mit Tech-Talk, mit dem technischen, dem bildgestalterischen Brimborium verbringen. Ich kann dadurch Fotosachverstand vortäuschen oder aufzeigen. Ich kann über das wahre oder das falsche Bild philosophieren. Ich kann Wettbewerbe ausschreiben oder an Wettbewerben teilnehmen. Ich kann das Pressefoto des Jahres machen oder es lassen. Das alles sagt wenig über Fotografie aus.
Bildwirklichkeit(en)
Fotografien konstituieren eine eigene Bildwirklichkeit, schreibt Bettina Lockemann. Der Bildwirklichkeit liegt kein Regelwerk zugrunde, wie es Texten zugrunde liegt. Es gibt keine allgemeingültige Grammatik, kein eindeutiges Zeichenrepertoire, keine universelle Bildsprache. Die Bildwirklichkeit ist dennoch faktisch da und kann durch Kniffe evoziert werden. Dazu zählen Farbenlehre, Zonenmesssystem, Bildaufbau, Perspektive etc. Jedoch gibt es keinen Garant, dass die zu evozierende Bildwirklichkeit des Fotografen von den Betrachtenden gelesen, erkannt, verstanden wird.
Entscheidend ist …
Entscheidend ist, wie wir die Fotografie deuten. Ob wir semiotisch, oder ob wir phänomenologisch vorgehen. Verweisen die in der Fotografie abgebildeten Ereignisse oder Orte auf Ereignisse oder Orte ausserhalb der Fotografie selbst, oder ist die Fotografie als solche Gegenstand der Betrachtung? Und wie gestaltet sich eine Kombination aus beiden Sichtweisen?
Service
Eindrücke vom Photowalk: http://diary.saschabuettner.com/photowalk-05-februar-2023/
Jorge Luis Borges, Die Bibliothek von Babel, Reclam
Bettina Lockemann, das Fotobuch denken, Hatje Cantz
Sascha Büttner, Versuch über den Winter, BoD
Vorankündigung
Katalogtext
Täglich sind Abermillionen Menschen auf Pendelfahrt. Was vielen eine Last ist, dient Sascha Büttner zur Kontemplation über Mobilität, Einsamkeit und Ruhelosigkeit.
Commuting – Pendeln ist der stille Monolog des Fotografen mit der sich ihm darstellenden Wirklichkeit.
Erscheint Anfang März (ISBN 9783741289705)
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